SLOW – Scardanelli Lieder ohne Worte

Internationale Gastspielproduktion, 2020

Performance, Bühne und Regie: Silvina Buchbauer
Musik: Klavierkomposition „SLOW – Scardanelli Lieder ohne Worte“, komponiert und gespielt von Boris Bergmann                                               Texte: Friedrich Hölderlin

Hölderlins „Turmgedichte“

Die spätesten Gedichte Friedrich Hölderlins gelten als rätselhaft und geheimnisvoll. Sind diese sogenannten Turmgedichte schwer zu entschlüsselnde Schöpfungen eines Wahnsinnigen? Oder sind sie das letzte Aufglimmen des herausragenden Dichtergeistes, der seine Zeilen zuletzt häufig mit Unterthänigst, Scardanelli unterschrieb und mit Phantasiedaten versah, die teils sogar außerhalb seiner Lebenszeit lagen? 

„…so ist Hölderlin vielleicht der einzige klinische Fall, wo die Dichtung die Vernunft überdauert und absolut Vollendetes im Zustand der Zerstörung entsteht – wie manchmal (ganz selten) auch in der Natur ein vom Blitz getroffener und bis in die Wurzeln verkohlter Baum von dem höchsten unberührten Aste aus noch lange weiterblüht.“

STEFAN ZWEIG

Die Aussicht 

Wenn in die Ferne geht der Menschen wohnend Leben, 
Wo in die Ferne sich erglänzt die Zeit der Reben, 
Ist auch dabei des Sommers leer Gefilde, 
Der Wald erscheint mit seinem dunklen Bilde. 

Daß die Natur ergänzt das Bild der Zeiten, 
Daß die verweilt, sie schnell vorübergleiten, 
Ist aus Vollkommenheit, des Himmels Höhe glänzet 
Den Menschen dann, wie Bäume Blüt‘ umkränzet. 

Mit Untertänigkeit 
Scardanelli 
d. 24 Mai 1748 

„Dem Komponisten und Pianisten Boris Bergmann dienten 13 Turmgedichte als Inspirationsquelle zu einem Klavierzyklus… in Komposition und Vortrag textnah, frei von falschen Romantizismen oder Schumannschen Verschleifungen, erfreulich schlank und unpathetisch. Das innere Leuchten trat gleichermaßen in Silvina Buchbauers sorgsam ausbalancierter Rezitation hervor. Kristallin, zerbrechlich… Wort und Ton liefen gleichzeitig, parallel und doch selbstständig, ja unabhängig voneinander.
…ein Suchender, der seines inneren Gleichgewichts verlustig ging, wie Buchbauers Zwischentexte offenlegten. Ausgebrannt sei Hölderlin nicht unvermittelt, plötzlich, vielmehr allmählich, schleichend, „wie ersticktes kohlendes Feuer“…
Bergmann und Buchbauer vermochten ein sehr berührendes Bild der Seelenverfassung Hölderlins zu zeichnen.“

Professor Wolfgang Bunzel, Taunuszeitung

Bodenplatte von Horst Hoheisel, Schlosskirche Bad Homburg